„Der Oberhaupt der anglikanischen Kirche hat eine bizarre Idee: In Großbritannien sollte seiner Meinung nach das islamische Recht der Scharia eingeführt werden. Muslime könnten dann wählen, welcher Rechtsordnung sie sich unterwerfen möchten. …“
Der Artikel der WELT, der mit obigem Zitat beginnt, verkürzt die Thematik etwas.
Tatsächlich hat der Primas der Church of England und Oberhaupt der weltweiten anglikanischen Gemeinde, Rowan Williams, in einem BBC-Interview geäußert, man müsse britischen Muslimen, welche das britische Rechtssystem ablehnen, die Möglichkeit bieten, ein ihnen genehmes Rechtssystem in Großbritannien wählen zu dürfen. Williams will damit soziale Spannungen abbauen, welche aus Widersprüchen zwischen der Loyalität gegenüber der eigenen Kultur und der Loyaliät gegenüber dem Staat, in dem man lebt, entstehen.
Williams will natürlich auch nicht die ganze Scharia einführen, sondern nur den friedlichen und harmlosen und die westlichen Gemüter beruhigenden Teil des – quasi – Zivilrechts der Scharia. Es ist übrigens der gleiche Rowan Williams, der kürzlich den einzigen pakistanisch-stämmigen anglikanischen Bischof, Michael Nazir-Ali, maßregelte, weil dieser kritisierte, daß in manchen Gegenden des Vereinigten Königreiches bereits heute die Loyalität der Bewohner gegenüber ihrer islamischen Kultur und deren Recht höher zu sein scheint, als gegenüber dem britischen Staat.
Meiner Ansicht nach wird bei der ganzen Aufregung die tatsächliche Absicht von Erzbischof Rowan Williams übersehen. Mir scheint nämlich, der Herr wünscht sich die „gute alte Zeit“ zurück, in der die Kirche mehr zu sagen hatte als der Staat.
Denn was den Muslimen recht ist, daß muss dann auch den Katholiken, Anglikaner usw. billig sein. Wenn die Muslime vom britischen Rechtssystem abweichen dürfen, dann darf man es Anhängern andere Religionen auch nicht verbieten.
(Cool, dann werden wir Heiden Beleidigungen nicht mehr vor Gericht, sondern per Holmgang „ausfechten“. 😉 )
Langfristig gesehen werden dann auch wieder Scheiterhaufen brennen und Homosexuelle aufgehängt werden. Oder glaubt jemand im Ernst, die Fundamentalisten jeglicher Couleur würden sich mit der Macht über das Zivilrecht zufrieden geben, wenn der Grundsatz „Gleiches Recht für alle“ erstmal so massiv durchlöchert wurde?
Schlagwörter: bbc, großbritannien, michael nazir-ali, rowan williams, scharia, zivilrecht
Februar 8, 2008 um 5:35 pm
Die kann man da drüben überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Obwohl, ich warte nur auf den Tag an dem das hier auf Festlandeuropa auch von gewissen Lobbygruppen gefordert wird.
Februar 11, 2008 um 5:52 pm
Was soll man dazu noch sagen, wofür überhaupt dann noch eine Gesetzgebung.
Februar 13, 2008 um 8:01 am
Mein Lieblingskorrespondent von den britischen Inseln sieht das anscheinend ziemlich genauso wie ich.
In der heutigen taz schreibt Ralf Sotscheck u.a.: